Bekennerschreiben und Antwort auf das Schreiben «Gefährliche Quartiere schaffen» Basel: Die Gentrifizierung unserer Quartiere

Politik

Durch die Gentrifizierung werden uns unsere Quartiere immer mehr entrissen.

Nach der Aktion, Basel, 23. Juni 2021.
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Nach der Aktion, Basel, 23. Juni 2021. Foto: barrikade

19. Juli 2021
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Bekkennerschreiben

«Raum» wird exklusiver und nur einer weissen, wohlverdienenden Klasse zugänglich gemacht. Unter einer «fortschrittlichen», «ökologischen» Vermarktung werden weiterhin, endlos Profite maximiert.

Gleichzeitig wird den Kund*innen durch den Konsum von «fairen» Produkten ein gutes Gewissen verkauft. In der westlich-kapitalistischen Gesellschaft ein gutes Gewissen zu haben ist ekelhaft.

Wir lassen uns von ihrem pseudo-alternativen Image nicht blenden. Wir wissen genau, dass sie Teil des kapitalistischen Systems sind und zur Erhaltung dieses Systems beitragen.

Um unsere Wut über diese Zustände auszudrücken, sind wir losgezogen und haben uns geeignete Ziele gesucht. Das «Unternehmen Mitte», «Herzog & DeMeuron» und die «Kult-Bäckerei» wurden eingefärbt. Beim «Unverpackt-Laden» wurden die Scheiben eingeschlagen.

Lasst uns die Quartiere zurück erobern und den Feinden der Freiheit zeigen, das die hier nichts verloren haben.

Antwort auf das Bekenner-Schreiben

Eine Antwort auf das Bekennenden-Schreiben «Gefährliche Quartiere schaffen» in Basel vom 28.06.2021 von Basel unverpackt, dem Laden, dessen Scheiben in der Nacht vom 22. auf den 23. Juni eingeschlagen wurden. Wir nehmen Stellung dazu, was dieser Artikel, bzw. diese Tat, mit uns gemacht hat und gehen weiter unten im Text auf die im Artikel genannten Vorwürfe ein.

Unser 10-köpfiges Laden-Team war voller Trauer, Wut und Unverständnis als wir diesen Artikel gelesen haben. Seither, bzw. seit dem 23. Juni hat uns diese Geschichte sehr viel Zeit, Energie, Nerven und Emotionen gekostet, welche wir viel lieber in unseren Laden und damit in einen Wandel der Gesellschaft stecken würden. Daneben kostet uns diese Geschichte CHF 1'250.-, da unsere Versicherung nicht den gesamten Schaden übernimmt.

Wir sind eine Gruppe wohlgesinnter, mutiger Menschen und haben aus der Motivation etwas gegen die Ohnmacht, die wir gegenüber den Abfallmassen verspürten, diesen Laden von Grund auf mit viel Arbeit und Herzblut aufgebaut. Wir sind enttäuscht und sprachlos darüber, dass zu keinem Zeitpunkt das Gespräch mit uns gesucht wurde um die im Artikel genannten Vorwürfe auszudrücken. Stattdessen wird Gewalt an unseren Scheiben und damit auch an den Personen, welche hinter diesem Laden stehen ausgeübt. Das trifft uns stark. Wir können eure Frustration und Wut nachfühlen, aber warum setzt ihr diese nicht in etwas Konstruktives um? Warum bringt ihr noch mehr Gewalt und Zerstörung in diese Welt? Warum versucht ihr nicht z.B. mit Liebe, Mut und Gemeinschaftlichkeit voranzuschreiten und gemeinsam mit uns eine Lösung zu suchen?

Zu den im Artikel genannten Vorwürfe:

Die finanzielle Diskriminierung von grossen Teilen der Bevölkerung aufgrund der Gentrifizierung generell, als auch spezifisch im Kleinbasel sehen wir ebenfalls als höchst problematisch und wir bei Basel unverpackt sind ungewollt Teil dieses Prozesses. Wir sind jedoch nicht der Treiber bzw. die Wurzel der Gentrifizierung. Diesen sehen wir vielmehr in der ausgeprägten sozialen Ungleichheit, welche der Kapitalismus inhärent hervorbringt. Das Problem ist nicht die einzelne Renovation/der einzelne Neubau eines Gebäudes oder das einzelne unternehmerische Unterfangen (ausser es wird dabei aktiv und nicht passiv verdrängt), sondern die Tatsache, dass die Lohn- und Vermögensungleichheit dermassen ausgeprägt ist, dass weite Teile der Bevölkerung dabei ausgeschlossen werden und dass Mechanismen am Werk sind, die inhärent ausbeuterisch sind (die Generierung von leistungslosem Einkommen durch den Privatbesitz von Kapital).

Wir bei Basel unverpackt sehen dies nicht nur als problematisch, sondern versuchen mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, etwas gegen das systemische Wirtschaftswachstum und die Ausbeutung, welche dem Kapitalismus inhärent sind, zu unternehmen. Unser Hauptmittel besteht darin, dass wir eine Genossenschaft sind. Dadurch, dass wir nicht zur Auszahlung von irgendwelchen Dividenden an Aktionär*innen oder Besitzer*innen verpflichtet sind, müssen wir nicht wachsen und entziehen uns dem systemischen Wirtschaftswachstum des Kapitalismus.

Dadurch, dass wir keinen Gewinn ausschütten dürfen und bei uns keine Form von Privatbesitz existiert, geht kein leistungsloses Einkommen (welches z.B. durch einen erhöhten Preis unserer Produkte finanziert werden müsste) an irgendwelche Aktionär*innen oder Besitzer*innen. Der Mehrwert unserer Arbeit bleibt innerhalb des Ladens und geht an die Mitarbeitenden und die Kundschaft. Ausserdem haben wir explizit in unseren Statuten vorgesehen, dass wir nicht profitorientiert sind, damit wir uns nicht an der Konsolidierung des Kapitals beteiligen.

Wir sind kollektiv und mit flachen Hierarchien organisiert, alle Mitarbeitenden können mitentscheiden, selbst bei der Ausgestaltung der Löhne (-> Wirtschaftsdemokratie). Beim Lebensmittel-Einkauf legen wir grossen Wert auf möglichst fairen Handel, naturnahe Landwirtschaft und beziehen viele Produkte direkt von Bio Klein-Bauern*Bäuerinnen.

Zum Vorwurf, wir würden unserer Kundschaft ein «gutes Gewissen» verkaufen: Das Phänomen, dass sich gewisse Kund*innen durch den Konsum von fairen Produkten ein gutes Gewissen kaufen möchten, existiert sicherlich. Jedoch sind wir, und bestimmt auch ein sehr grosser Teil unserer Kundschaft, sich bewusst, dass man nur durch die Vermeidung von Abfall keinen individuellen CO2-Fussabdruck von unter 1 erreichen kann, dafür müssten ebenfalls oder insbesondere die 'Big Points' der Umweltbelastung (Fliegen, beheizte Wohnfläche pro Person, etc.) reduziert werden. Wir sind aber davon überzeugt, dass für eine nachhaltige Zukunft eine extensive Abfallreduktion notwendig ist.

Abschliessend möchten wir noch unterstreichen, dass es uns ein grosses Anliegen ist, das Gespräch mit den Täter*innen und mit deren Sympathisanten*innen zu suchen. Bei einem solchen Gespräch berichten wir gerne noch weiter über unseren Laden, wie wir intern funktionieren, was unsere Werte sind, wie unsere Lohnstruktur aussieht und wie viel Arbeit (auch unbezahlte) und Herzblut in diesem Laden steckt.

Gerne würden wir eure Vorschläge dazu hören, wie wir Biolebensmittel mit möglichst wenig Verpackung verkaufen können und dabei noch weniger zum Kapitalismus/zur Gentrifizierung von Kleinbasel beitragen können. Ausserdem würden wir gerne von euch wissen, was das Ziel dieser Gewaltausübung war und was es euch gebracht hat (ausser einer stärkeren Abhängigkeit von Versicherungen, was wiederum ja das Finanzsystem stärkt). Gerne erwarten wir eure Kontaktaufnahme.

pm